WLTP und WLTC
– wie weit reicht
es denn?
WLTP und
WLTC – wie
weit reicht
es denn?
Seit September 2017 wird der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) bzw. New European Driving Cycle (NEDC) sukzessive von einem neuen Messverfahren abgelöst, welches realistischere Einschätzungen zur Reichweite und zum Schadstoffausstoß von Autos abgeben soll: dem WLTP. Das Schema mit dem bündigen Namen „Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure“ kommt gemeinsam mit dem Testzyklus WLTC (Worldwide Harmonized Light Duty Test Cycle) daher.
Wie läuft das WLTP ab?
Aus dem Kaltstart werden mithilfe eines Rollenprüfstands Messwerte in Geschwindigkeitsintervallen bis 60, bis 80, bis 100 und bis zu 130 km/h genommen. 13 % der Dauer sind allerdings als Standzeit vorgesehen.
Unterschiede vom WLTP zum NEFZ
- Höhere Geschwindigkeiten: Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit 130 Stundenkilometern 10 km/h über der maximalen Geschwindigkeit beim NEFZ. Auch die durchschnittliche Geschwindigkeit ist mit 46,5 km/h deutlich schneller als beim NEFZ mit 33,6 km/h. Der Anteil der Standzeit liegt im Vergleich zum NEFZ um 12 Prozentpunkte niedriger.
- Genauere Temperatur: Die Umgebung muss beim WLTP mit 23 °C temperiert sein. Beim NEFZ war lediglich ein Korridor von 20-30 °C vorgegeben, was insbesondere bei E-Autos durch die Belastung des Akkus zu großen Unterschieden führen kann.
- Dauer: Die Testdauer wurde von 20 auf 30 Minuten erhöht, was in Kombination mit der höheren Geschwindigkeit eine Verdopplung der gefahrenen Strecke mit sich bringt
- Im Gegensatz zum NEFZ werden individuelle Sonderausstattungen für Gewicht, Aerodynamik und Bordnetzbedarf berücksichtigt. Anders sieht es bei stromverbrauchenden Sonderausstattungen aus, z. B. Sitzheizungen oder Klimaanlagen: Diese bleiben wie beim NEFZ ausgeschaltet.
- Neu beim WLTP sind fahrzeugspezifische Schaltpunkte. Diese individuelle Anpassung gab es beim NEFZ nicht. Außerdem werden beim WLTP alle erhältlichen Kombinationen aus Motor und Getriebe einzeln überprüft.
Realismus-Check
Im Durchschnitt schaffen die Autos in der Realität 84 Prozent der Reichweite nach WLTP-Angabe. Minimal sind es 70 %, maximal 95 %. Trotz dieser Abweichungen ist das WLTP präziser und näher an der Realität als die beim NEFZ ermittelten Werte. Das ist insofern nicht verwunderlich, da der Zyklus auf Basis tatsächlicher Fahrdaten aus über einem Dutzend Ländern entwickelt wurde.
RDE
Für eine zweite Überprüfung des Schadstoffausstoßes werden zusätzlich zum WLTP sogenannte RDE-Messungen durchgeführt. RDE steht für „Real Drive Emissions“.
Der beim WLTP und RDE-Test ermittelte CO₂-Wert ist auch relevant für die Kfz-Steuer, da diese sich unter anderem am CO₂-Ausstoß bemisst. Weil das WLTP die CO₂-Emissionen wirklichkeitsgetreuer und damit höher einschätzt, hat sich die Kfz-Steuer durch die Einführung des WLTP erhöht. Dadurch wird langfristig das Bestreben nach geringeren CO₂-Emissionen intensiviert und die Umweltbelastung verringert. Technologien mit geringerer CO₂-Bilanz profitieren also davon.
Kritik
Zunächst sorgte die Einführung des WLTP in der Automobilindustrie für Empörung, weil die Vorlaufzeit zu kurz gewesen sei und es für neu entwickelte Modelle nicht direkt ausreichende Möglichkeiten zur Durchführung der Tests gab. Dies führte zu Produktionsproblemen und Lieferverzögerungen.
Wie auch beim NEFZ weisen Kritiker darauf hin, dass die Tests unter Laborbedingungen kein allgemein tauglicher Gradmesser für die tatsächlichen Werte im Alltag sind und weiterhin Abweichungen bestehen. Beispielsweise können niedrige Temperaturen bei Elektroautos die Reichweite stark reduzieren, teilweise um die Hälfte. Einige fordern, statt künstliche Messwerte auf dem Rollenprüfstand zu generieren, bereits bestehende Daten, die bereits jeden Tag in Autos und Mobilgeräten gesichert werden, zu nutzen. Das Problem dabei besteht darin, dass diese Daten erst nach dem freien Verkauf eines Modells in großer Menge zur Verfügung stehen. Somit bräuchte es entweder wieder gesonderte Tests oder zum Verkaufsstart könnten keine genaueren Angaben zu Reichweite oder Emissionen gemacht werden – was sicher nicht im Sinne des Verbrauchers und des Verbraucherschutzes steht.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das WLTP nicht weltweit genutzt wird. Manche Länder nutzen sogar weiterhin das NEFZ, andere Staaten entwickeln komplett andere Messmethoden. Damit ist die Standardisierung und Vergleichbarkeit global nicht gegeben.
Fazit
Mit dem WLTP sollte ein neues, besser standardisiertes und reproduzierbares Verfahren implementiert werden. Dieses Ziel wurde EU-weit erreicht. Die Transparenz wurde erhöht und Schummeleien für Hersteller erschwert. Außerdem ist das Messverfahren für alle Antriebsarten durchführbar. Dass es keine hundertprozentige Richtigkeit gibt, ist selbsterklärend. Zu groß ist der Einfluss kontextueller Faktoren wie der Fahrweise und äußeren Bedingungen wie der Temperatur. Das Verfahren ist also weiterhin nicht perfekt. Aus diesem Grund empfehlen wir, immer etwas Puffer einzuplanen und ungefähr 15-20 % der WLTP-Reichweite abzuziehen und sich mit der Zeit eher auf den im Bordcomputer angegebenen Spritverbrauch zu berufen, welcher bereits den persönlichen Fahrstil und die am häufigsten gefahrenen Strecken automatisch berücksichtigt und abbildet.